In der Zeit vor der Fahrt hatten die Schüler*innen und Lehrkräfte ein vielfältiges Programm zusammengestellt, das aber auch immer wieder Möglichkeiten bot, die Stadt nach eigenen Interessen zu erkunden. Entspannt im eigenen Bus angereist, war hier am frühen Montagabend natürlich für alle die Innenstadt mit dem Stephansdom, der Kärntnerstraße und dem Graben die erste Anlaufstelle. Nicht weit entfernt vom historischen Rathaus kehrten wir ganz traditionell im historischen Restaurant „Zum Bierhof“ ein, um gemeinsam bei Wiener Schnitzel und weiteren Wiener Speisen unseren ersten Abend ausklingen zu lassen.
Nach den ersten kulturellen Eindrücken vom Montag lag der Fokus am Dienstagvormittag darauf, einen Blick auf die pädagogische Kultur der Hauptstadt zu werfen. Hierzu machten sich die Schüler*innen in Gruppen auf den Weg zu Führungen durch zwei Bildungscampusse Wiens. Dies sind Zentren, an denen Kindergarten-, Schul- und Freizeitpädagogik an einem Standort vereint sind und an denen auf 12000 Quadratmetern bis zu 700 Kinder inklusiv betreut werden. Während die Schüler*innen dort über die Größe, Organisation und die durchdachten pädagogischen Konzepte staunten, war eine andere Gruppe zur Hospitation in einer der - ebenfalls typisch für Wien - freien und selbstverwalteten Grundschulen. Dass Grundschule auch ein wenig anders strukturiert sein kann, als die meisten unserer Schüler*innen das kennen, überraschte viele. Eine Schülerin war so angetan, dass sie am liebsten gleich dort begonnen hätte zu arbeiten.
Um solche Zukunftsideen vielleicht noch besser einordnen zu können, war vorher aber noch vieles andere zu sehen. Zum Beispiel am Nachmittag, an dem bei strahlendem Wetter eine Stadtführung durch den prächtigen ersten Bezirk auf dem Programm stand. Mitten durch den Volksgarten, vorbei an der Karlskirche, der Hofburg und der Wiener Staatsoper hatten am Ende die meisten zwar müde Füße, waren aber gleichzeitig auch überwältigt von der beeindruckenden Pracht, mit der sich Wien uns hier präsentierte. Unser kundiger Stadtführer, Herr Stoltenberg, stellte immer wieder Bezüge zu der württembergischen Geschichte, aber auch zu anderen Herkunftsländern der Schüler*innen her. Er wies zum Beispiel darauf hin, dass wertvolle albanische Kunstschätze wie der Helm des Skanderbegs im Kunsthistorischen Museum zu bestaunen sind.
Nach der Stadtführung mit ihrer Flut an prunkvollen Gebäuden und deren bewegten Geschichten, machten sich die Schüler*innen am Mittwoch erneut auf, weitere pädagogische Besonderheiten Wiens kennenzulernen. In Kleingruppen hatten sie die Möglichkeit, einen Vormittag in unterschiedlichen kleinen und selbstverwalteten Kindergruppen im 4. Bezirk zu hospitieren. Die von Eltern oder Betreuern verwalteten Gruppen überraschten meist schon mit ihrer Lage und den Räumlichkeiten. Die alten Jungendstilhäuser, in denen mitten in der Stadt Kinder in liebevoll renovierten und improvisierten Räumen untergebracht waren, boten einen großen Kontrast zu den beiden Bildungscampussen der städtischen Einrichtungen. Ein Turnraum in einem Gewölbekeller war nur eine der Besonderheiten. Auch die pädagogischen Konzepte stellen sich sehr vielfältig dar. Eine der Schulkindgruppen bot den Kindern die Möglichkeit, auch nach der Volksschulzeit noch in der Gruppe willkommen zu sein. So berichteten die Pädagog*innen von Kindern und Jugendlichen, die teils bis zur Matura (dem österreichischen Abitur) immer noch in der Gruppe auftauchen, um dort das selbst gekochte Essen zu genießen oder um sich in besonderen Situationen Hilfe zu suchen. Beim anschließenden Austausch in den Räumen des Dachverbandes an der linken Wienzeile konnten die Schüler*innen ihre Erfahrungen aus den Hospitationen reflektieren und erhielten von den pädagogischen Fachkräften weitere spannende Informationen über das österreichische Bildungssystem.
Der Mittwochnachmittag und der Donnerstagvormittag waren jeweils für einen Teil der Gruppe frei zu gestalten und die Stadt nach eigenen Interessen zu erkunden oder mit zwei Lehrkräften an einer Führung in Sigmund Freuds ehemaliger Wohnung teilzunehmen. In der Wohnung, die heute zu einem Freud-Museum umgebaut wurde, erhielten wir eine Führung zum Leben Freuds, den unsere Schüler* bereits aus dem Unterricht kannten. Leider war von der berühmten Couch nur noch ein Bild vorhanden, während viele andere Einrichtungsgegenstände noch im Original zu bestaunen waren.
Ein Highlight der Wienfahrt war sicher auch der gemeinsame Mittwochabend. Vom Treffpunkt Schwedenplatz ging die Fahrt mit der alten 1er Straßenbahn in den 3. Bezirk, dort bestaunten wir das 1986 von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Hundertwasserhaus. Das bunte und ungewöhnliche Haus mit seinen unebenen Böden, aus dem an allen möglichen Stellen Bäume wachsen, lädt zum Staunen ein und lässt vom alternativen Wohnen in der Stadt träumen. In diesem berühmten Haus befinden sich 52 Sozialwohnungen mit insgesamt 19 Dachterrassen. Und das Erstaunlichste: Es befindet sich kein einziger rechter Winkel in diesem Gebäude.
Im Anschluss ging die Fahrt mit der Straßenbahn weiter über den Donaukanal bis zur Endhaltestelle: „Prater Hauptallee“. In der Mitte des 6 km² großen Parks befinden sich große Freizeitflächen, die wir für ein paar gruppenpädagogische Spiele nutzten. Hier waren von allen volle Konzentration und Engagement gefordert. Den gemeinsamen Teil des Tages beendeten wir mit einem Rundgang durch den „Wurstelprater“, wie der 250 Jahre alte Vergnügungspark im Prater genannt wird. Dort war für jedes Temperament was geboten. Einen eher ruhigen und genussvollen Blick über ganz Wien bot die Fahrt mit dem berühmten Wiener Riesenrad, etwas wilder war da eine Fahrt mit dem mit 117 Metern weltgrößten Kettenkarussell und für die ganz Unerschrockenen eine Fahrt mit einer der zahlreichen Achterbahnen.
Am Donnerstag trafen wir uns alle gemeinsam in der inneren Stadt im sogenannten Museumsquartier. Es beherbergt 60 Kunst- und Kulturbetriebe und versteht sich als Kunst- und Lebensraum. Inmitten dieses Areals befindet sich als ganz bewusste politische Entscheidung die Wiener Kinderinfo. Der Landesjugendreferent Karl Ceplak führte uns in die Besonderheiten der Kinder-und Jugendarbeit in Wien ein. Durch die hohe Zuwanderung nach Wien ist eine engagierte Kinder- und Jugendarbeit nicht wegzudenken und durch die Wiener bewusst gewollt. Die Bestrebungen der Stadt, die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, wird sowohl durch die Kinderinfo, als auch durch viele weitere Aktionen deutlich. So fahren beispielsweise alle Wiener Schulkinder in den Schulferien umsonst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und die Wiener Ferienspiele bieten in allen Bezirken kostenlose Ferienangebote. Laut Herr Ceplak ist nicht nur mit diesen Angeboten die Kinderinfo europaweit einmalig, sondern auch mit der jährlichen „Game City“ im Wiener Rathaus. Dies ist eine Messe, deren Zielgruppe Kinder, Jugendliche, Eltern und Pädagog*innen sind und die sich rund um Videospiele, Cosplay und Digital Entertainment dreht.
Gleich neben der Kinderinfo liegt das Zoom-Kindermuseum, welches wir im Anschluss besuchten. Dort wurde gerade eine neue Ausstellung aufgebaut und so konnten wir das Museum nur im Baustellenbetrieb sehen. Frau Thenius, die im Kindermuseum für das Marketing zuständig ist, hat uns - trotz der Baustelle - im Trickfilmbereich empfangen und uns das Konzept des Kindermuseums erklärt. Die Ausstellungen werden nur zu festen Zeiten und nur für Besuchergruppen geöffnet. In diesen Zeiten befinden sich immer mehrere Pädagog*innen in den Räumen, um die Kinder in der Ausstellung pädagogisch zu begleiten. Das Kindermuseum wird jährlich von 125 000 Kindern besucht, die verfügbaren Ausstellungstermine sind meist schon nach einem Vormittag ausgebucht.
Das letzte Abendessen verbrachten wir gemeinsam bei Burgern und Softdrinks im „Hardrockcafe Vienna“. Der milde Abend lud danach nochmal zu einem Eis ein und einige machten sich noch auf den Weg zur Wiener Staatsoper, vor welcher die Oper „La Traviata“ von Verdi live auf den Vorplatz übertragen wurde.
Am Freitag fuhr unser Busfahrer Wolfgang in seiner schon bekannten munteren Art sicher durch Stau und Sturm in das herbstliche Herrenberg zurück.
Ein großer Dank geht an die vielen Pädagog*innen, die uns sehr professionell und vor allem sehr herzlich in ihrem Wien und in ihren jeweiligen Einrichtungen empfangen haben.