Vorwort (Mario Walter)
Wir bereisten ein Land, welches in dieser Form heute nicht mehr existiert. Eine Woche nach unserer Verabschiedung änderte sich die Lebenswelt für unsere beduinisch-israelischen Austauschpartner*innen gravierend. Die Ereignisse lösten große Betroffenheit aus und sorgten dafür, dass wir die Nachrichten über die neuesten Entwicklungen mit großer Sorge verfolgten. Natürlich stellte sich auch die Frage, wie wir mit unseren Erfahrungen nun umgehen sollten. Ist es angemessen, in einer derartigen Situation über die schönen Erlebnisse unseres Schüler*innenaustauschs zu schwärmen?
Wir denken: Ja! Wir hatten das Privileg, in eine Welt einzutauchen, welche nicht schwarz und weiß ist. Wir sahen eine Welt, in der sich arabisch-beduinische Menschen als israelische Staatsbürger*innen empfinden und zusammen mit Jüd*innen in diesem Staat arbeiten, leben und diesen weiterentwickeln möchten. Was wäre also angebrachter, als unsere Geschichte in diesen Zeiten zu erzählen und ein Beispiel für ein friedliches Zusammenleben aufzuzeigen?
Schüler*innen-Bericht (Julius Vogel)
Der SCORA-Austausch der Schüler*innen der Hilde-Domin-Schule Herrenberg fand, nach dem Besuch der Israelis im vorletzten Jahr, im September 2023 seinen Höhepunkt, als sich die Gruppe der mittlerweile vertrauten Schüler*innen vor den Toren der Mahmoud Sawaed Highschool zum ersten Mal seit einem vollen Jahr wieder von Angesicht zu Angesicht begrüßte. Recht herzlich wohlgemerkt, denn es war schnell klar, dass diese Reise den acht deutschen Lernenden ein völlig neues Bild ihrer israelisch-beduinischen Austauschpartner*innen offenbaren sollte.
Zuvor, am 21.9.23, landeten erstere nämlich auf dem Rollfeld des Flughafens in Tel-Aviv. Dort verbrachten die Schüler*innen zwei volle Tage, bevor sie sich auf nach Salama in die Obhut ihrer Austauschpartner*innen machten. Während der erste Tag die Lernenden der Hilde-Domin-Schule mithilfe einer Führung über die Sehenswürdigkeiten und nennenswerten Ortschaften der Stadt einführte, bot der Morgen des zweiten Aufenthaltstages einen Ausflug in das ANU, das Museum der jüdischen Gemeinschaft. Dort gab es viel zur Geschichte des Judaismus und seiner europäischen Entfaltungsformen zu entdecken, was schließlich auch eine Ausstellung zur deutsch-jüdischen Vergangenheit und ihrer grauenvollen Verletzung in Form der Shoa beinhaltete. Am Abend wurden die Schüler*innen zudem Zeug*innen einer groß angelegten Demonstration im Stadtkern. Am 24. September machte sich die Reisegruppe mit jener Kenntnis daraufhin auf zu ihrer Partnerschule. Zuvor wurde jedoch noch ein Kibbuz besucht, durch den die Schüler*innen nicht nur eine exklusive Führung erhielten, sondern auch Bekanntschaft mit der deutschsprachigen Jüdin Henrietta machten, die ihnen reichlich Fragen über ihr Leben und ihre Ankunft im Kibbuz beantwortete. Wie am Anfang erwähnt, trafen sich daraufhin am selbigen Tag die Austauschpartner*innen in Salama, wo nach einer kurzen Willkommensfeier mit reichlich Essen rasch eine Abholung durch die Gastfamilien erfolgte. Diese nahmen ihre Gäste herzlich auf und der Abend wurde prompt genutzt, um sich im Garten einer beduinischen Schülerin einzufinden und das Wiedersehen auch allein unter Schüler*innen angemessen zu feiern. Der nächste Tag war besonders, denn in Israel feierte man Jom Kippur. Folglich gab es viele Verkehrseinschränkungen, die jedoch nicht das Erlebnis einer authentischen Geschichtsstunde schmälerten. Jene wurde ganz nach beduinischer Art bei starkem Kaffee und unter einem Zeltdach abgehalten. Vorher bekam die Austauschgruppe jedoch noch die Chance auf eine mehr als ausreichende Stärkung, die eine traditionelle Küche umfasste und für jeden und jede etwas bot. Die dadurch getankte Energie konnte am nächsten Tag Gebrauch finden, denn unter der Führung der freundlichen beduinischen Lehrkräfte erreichten die Schüler*innen das Tote Meer. Dort begab sich die Gruppe auf eine Wanderung, die jedoch aufgrund von Erdrutschgefahr gekürzt werden musste. Ferner ging man selbstverständlich im schweflig-salzigen Wasser baden und betrieb intensivstes Hautpeeling. Die Nacht verbrachte die Gruppe daraufhin in einem Hostel in der Nähe des Toten Meeres, von der aus es am nächsten Morgen weiter nach Jerusalem gehen sollte. Am Abend fanden sich die Lernenden aus Israel und Deutschland noch zu einigen Gesellschaftsspielen zusammen. Die Stimmung war am Morgen aber noch immer gut und so wurden, in der heiligen Stadt angekommen, auf dem Ölberg einige Gruppenfotos geschossen. Der Weg durch die engen, orientalischen Marktgassen Jerusalems endete vorerst an der Grabeskirche, die nicht nur das Interesse der christlichen Austauschteilnehmer*innen weckte. Die darauffolgende Übernachtung in einer Jugendherberge nahe der Klagemauer bereitete die Schüler*innen auf die lange Busfahrt zurück Richtung Salama vor, welche jedoch durch einen Zwischenhalt am Taufort Jesu unterbrochen wurde. Am 29. September ging es dann nach Akkon. Dort stellten sich die deutschen und beduinischen Lernenden einem Ausritt am Strand, der hinsichtlich des Umstandes, dass dies der letzte volle Tag der deutschen Austauschteilnehmer*innen in Israel sein sollte, sentimentale Gefühle weckte. Er fand sein Ende im gemeinsamen Abendessen in einem lokalen Restaurant, dass auch bei diesem Sonnenuntergang manch Träne rührte. Denn schon der nächste Morgen brachte den Abschied mit sich, der neben einem frühen Aufstehen auch die vorerst letzten Worte verlangte, die sich die Austauschpartnerinnen schenken konnten. Gegen 10:00 Uhr saßen die Schüler*innen Herrenbergs dann schon wieder im Flugzeug und waren wohl weniger durch die Flughöhe, als durch die unzähligen, gesammelten Erfahrungen und Erinnerungen beflügelt.
Wie soll es nun weiter gehen? (Mario Walter)
Die aktuelle Lage in der Region lässt es nicht zu, dass wir den Austausch in der bisherigen Form weiterführen. Fakt ist, dass wir den Kontakt zu unserer Schule und den Menschen nicht abbrechen lassen möchten. Wir planen daher, mit einer neuen Schüler*innen-Kohorte in eine neue Phase zu gehen. Geplant ist, dass wir in diesem Jahr eine Gruppe aus interessierten Schüler*innen der Hilde-Domin-Schule zusammenstellen möchten, die zu Beginn des nächsten Schuljahres unseren israelischen Austauschpartner*innen einen Aufenthalt bei uns in Herrenberg ermöglichen möchten. Ob ein Rückbesuch im darauffolgenden Jahr möglich ist, kann Stand heute leider nicht garantiert werden, da die Lage dynamisch und für uns in keiner Weise absehbar ist. Wir hoffen, die geknüpften Beziehungen so erhalten zu können und künftigen Generationen dieselben Möglichkeiten eines Austauschs bieten zu können.