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Traumberuf Medizintechnik in der Vortragsreihe "Berufe im Gesundheitswesen"

Beim Stichwort Medizin denken die meisten wohl zuerst an die Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten durch geschultes Fachpersonal: Der vertraute Hausarzt um die Ecke, die geschulte Pflegefachkraft auf Station, oder der Rettungsdienst in der Not. Doch was wäre das alles ohne die geeigneten Instrumente oder Implantate?

Durch die schulinterne Vortragsreihe „Berufe im Gesundheitswesen“ konnten die Schülerinnen und Schüler des sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Gymnasiums mit dem Profil Gesundheit diese Randfacette der Heilkunst im Foyer in Erfahrung bringen. Denn in der modernen Welt und der hochkomplexen Schulmedizin spielt die Technik in Produkten, Geräten und Verfahren die Schlüsselrolle für die Gesundheit des Patienten. Die Mission „Verbesserung der Lebensqualität“ verbindet. Im Werbevideo „for Peter“ wurde eindrücklich skizziert - es handelt sich hierbei nicht um „standardisierte Konsumgeräte, sondern hiermit kann Leben gerettet werden!“

Linda Hehn (Studium Maschinenbau mit Vertiefung Textiltechnik) und Lukas Hokenmaier (Studium Medizintechnik), beide seit 2021 beim Hechinger Medizintechnikunternehmen Bentley Innomed GmbH, stellten daher gemeinsam die spannende Schnittmenge zwischen Humanbiologie und Technik vor. Direkt zu Beginn des Vortrags wurde deutlich: Medizintechnik ist am Puls der Zeit, interdisziplinär und gesetzlich hochreguliert. Über die persönlichen Etappen im Lebensweg der Referenten konnte ein interessanter Einblick in die unterschiedlichsten Zweige der Gesundheitstechnologie gewonnen werden.

Frau Hehn, die ihr Mathe- und Spanisch-Lehramtsstudium hierfür abbrach, berichtete von ihrem Praktikum bei Edwards Lifesciences in Kalifornien, die als Erfinder der ersten künstlichen Herzklappe zählen. Bei der Firma „joimax“ in Karlsruhe wendete sie sich 2020 der minimalinvasiven Wirbelsäulentechnologie zu. Egal ob textile Netze für Hernien, medizinische Ballons für Stuhldrainagen, oder schließlich die vaskulären Stents bei Bentley, sie hatte „ab diesem Moment Blut geleckt“ und bewundert bis heute die „Vielschichtigkeit dieser breitgefächerten Wissenschaft.“ Zum Studium erwähnte sie: „Ohne mathematisches-technisches Interesse geht man allerdings unter, mit der gegebenen Affinität ist der Rest nur noch Fleißarbeit.“ Heute ist sie als Project Leader an der Planung neuer Prozesse und Produkte beteiligt.

Für Lukas Hokenmaier war der Weg in die Medizintechnik, dank Direktstudium, schneller ersichtlich. Der Schwerpunkt „Optik und minimalinvasive chirurgische Techniken“ führte zum Master in Mikrosystemtechnik und Systemdynamik. Als Praktikant bei „Bosch Healthcare Solutions“ beschäftigte er sich 2019 mit der Serien- und Produktentwicklung eines Atemgasanalysegeräts. Diese Erfahrungen konnte er später in seiner Masterarbeit zur Entwicklung eines alltagstauglichen Medizingeräts für Undine-Patienten (Störung der autonomen Atmungskontrolle) nutzen, welches die Sauerstoffsättigung des Blutes überwacht und bei einer kritischen Sättigung den Patienten alarmiert. Auch er stellte die naturwissenschaftlich-technischen Inhalte seines Studiums rasch dar und verdeutlichte daran, dass man sich stets neu orientieren könne. Wie bei Frau Hehn habe seine Arbeit bei Bentley heute weniger etwas mit den Vertiefungen seines Masterstudiums zu tun. Fernab der Sensorentwicklung beschäftigt er sich nun mit der Entwicklung von Stentsystemen und den dazugehörigen Prozessen. „Medizintechnik ist auch oft nicht die beste Alternative für Menschen, die von vorneherein lieber Humanmedizin studieren möchten“, stellte der junge Ingenieur dar. Laut ihm haben mehrere in seinem Jahrgang abgebrochen und erkannt: „Es ist kein Ersatz, es setzt höheres Interesse an Technik, Mechanik und Konstruktion voraus!“ Vielmehr solle man diese Affinität mit dem Interesse am menschlichen Körper verknüpfen, denn das gehöre ebenfalls zum Studium dazu.

Im Theorieabschnitt erläuterten beide die Wirkungsweise der Stents von Bentley, sowie die Kathetertechnologie bei minimalinvasiven Gefäßerkrankungen. Als Beispiele wurden Arteriosklerose oder Aneurysmen genannt. Mehrere unterschiedliche Arten von Stents, zum Offenhalten der unterschiedlichen Gefäße im Körper, wurden im Publikum durchgegeben. Darunter selbstexpandierende Stents wie zum Beispiel für die Beinvenen und ballonexpandierbare Stents wie zum Beispiel für die iliakalen Gefäße, welche gecovert auch zur Abdichtung von Aneurysmen eingesetzt werden.

Herr Hokenmaier erklärte im Anschluss den Arbeitsalltag anhand eines groben Projektablaufplans. Von der Projektidee bis zur Verifizierung und Validierung von Produkten und Prozessen wurde knapp aufgezeigt, welche Herausforderungen und Tätigkeiten auf einen Entwicklungsingenieur zukommen. Wie muss ich konkrete Probleme angehen? Und wie kann man aus Datenanalysen Lösungen erarbeiten? Die Projektidee muss technischen, regulatorischen und anwenderbezogenen Anforderungen standhalten. Diese Anforderungen werden zusammengeführt und in vollständige, eindeutige, überprüfbare und sich nicht widersprechende Anforderungen übersetzt, welche schließlich den „Design Input“ bilden. Je nach Projekt werden Prozesse entwickelt, Maschinen geordert, neue Lieferanten akquiriert und passende Materialien gesucht. Dabei gilt es stets auf die Biokompatibilität, also die spätere Verträglichkeit des Produkts im Körper des Patienten, zu achten. Hier kommt die interdisziplinäre Seite der Medizintechnik besonders zum Vorschein, da in ständiger Absprache mit Chemikern, Materialwissenschaftlern und anderen Experten die besten Lösungen erarbeitet werden. Bis man schließlich zum endgültigen „Design und Process Freeze“ gelangt. Frau Hehn gab zu, dass insbesondere die ständige Dokumentation aller Teilschritte manchmal ganz schön Nerven kosten könne. „Nachweise des Prozesses und der Erfüllung der Anforderungen müssen stets erbracht werden.“ Bevor es dann in die Serienentwicklung geht, müssen zuletzt noch die Produkte und Prozesse durch teils genormte Tests validiert und verifiziert werden. Erst dann erfolgt der „Design Transfer to Production“. Der Rausch der Glücksgefühle als Meilenstein am Ende des Zyklus sei laut Frau Hehn dahingehend unbeschreiblich und wiege die Mühe hinter der Erarbeitung mehr als auf.

Anhand eines Testaufbaus veranschaulichten die Referenten in einem Gefäßmodell den simulierten Einsatz im OP (Simulated Use). Was wie unscheinbare Platten mit Hohlgängen aussah, simulierte die Bauchaorta und deren iliakalen Abgänge. „Es stecke die Auswertung mehrerer realer Anatomien in so einem Modell, zur Abbildung eines „worst-case“, wie Hokenmaier versicherte. Im Simulated Use durfte ein freiwilliger Schüler selbst auf der Bühne einen Stent durch das Modell schleusen. Vom Legen der Schleuse im Modell bis zur Inflation des Ballons zur Freisetzung des Stents an seinem Bestimmungsort - alles musste nach einer genauen Schritt-für-Schritt -Anleitung durchgeführt werden. Spezielle Röntgenmarker am Katheter dienen im realen Klinikalltag der visuellen Kontrolle. Hierüber kann der Arzt vor der Freisetzung des Stents sicher gehen, dass er sich auch an der richtigen Stelle im Gefäß befindet. Im Schulversuch durfte ein weiterer Freiwilliger den Ballon schließlich noch an sein Limit bringen und am Ende sogar platzen lassen. Die Drücke die dabei nötig sind, um den Ballon platzen zu lassen, liegen weit über dem Bereich, der vom Arzt genutzt werden darf. Ein wichtiger Sicherheitsfaktor, dass es zu keinem Ballonplatzer in der Praxis kommt. Frau Hehn und Herr Hokenmaier bestimmen den für den Arzt maximal zulässigen Druck ihrer Präparate durch genormte Tests.

In den abschließenden Schülerfragen stellte sich heraus, dass insbesondere die Arbeitsgestaltung flexibel ist. 40-Stunden-Wochen, Teilzeit, oder Homeoffice - im Klinikalltag der Ärzte völlig undenkbar. Im Rahmen der Medizintechnik, wie auch in anderen Industriebranchen ganz normal.

Wer durch das Berufsfeld der Medizintechnik inspiriert wurde, für denjenigen bietet Bentley Schülerpraktika, Ausbildungen und Studiengänge in diesem Bereich an.

Wir danken Frau Hehn und Herrn Hokenmaier für diesen lebendigen und spannenden Vortrag. Hierdurch hatten wir Gelegenheit Einblicke in die Ausbildung und die Tätigkeit im Berufsfeld Medizintechnik zu bekommen und so eigene Vorstellungen kritisch zu hinterfragen.